Eine Ausstellung über den Jenaer Goethe und sein Verhältnis zu den Frühromantikern
Zählt man die Tage, Wochen und Monate zusammen, die Goethe in Jena verbracht hat, so ergeben sie mehr als fünf Jahre – nach Weimar und Frankfurt die drittlängste Station seines Lebens. Und vielleicht die intensivste. Der Dichterfürst hat nachweislich in der Universitätsstadt eine andere Existenz geführt als in Weimar: frei von höfischen Zwängen, weniger steif, im anregenden Gespräch mit Naturwissenschaftlern und Intellektuellen, insbesondere mit Schiller, den Humboldts, den Romantikern und dem Kreis um den Verleger Frommann.
Seit 1779 kam Goethe regelmäßig in die Universitätsstadt. Zunächst in amtlichen Geschäften: um das Naturalienkabinett und die späteren Sammlungen des Herzoglichen Museums im Schloss zu inspizieren, Rekruten zu mustern oder die Büttnersche Bibliothek zu ordnen. 1784 gelang ihm mit Loder durch Schädelstudien in der anatomischen Sammlung der Nachweis des Zwischenkieferknochens beim Menschen. Zugleich war er mit der Regelung eines Jahrhunderthochwassers beauftragt. Bereits seit 1783 ließ er als Leiter der Wegebaukommission den Verlauf der Saale korrigieren, um die Kahlaische Straße zu sichern. Ein Projekt, das erst 1790 erfolgreich abgeschlossen wurde.
Nach seiner Italienreise von den meisten Ämtern entlastet, zog sich Goethe immer häufiger und für immer längere Zeit aus Weimar in die Ruhe und Einsamkeit der Jenaer Schlossstube zurück, um zu schreiben. Hier entstanden u.a. Wilhelm Meisters Lehrjahre, Das Märchen, Balladen und Idyllen sowie das Epos Hermann und Dorothea neben naturwissenschaftlichen Aufsätzen und zahllosen Dienstberichten. Zugleich wirkte er maßgeblich am Aufbau des Botanischen Gartens mit. In der „Naturforschenden Gesellschaft“ des Botanikers August Batsch, der ihm bei der Metamorphose der Pflanzen (1790) beratend zur Seite stand, kam es 1794 auch zur Annäherung an Schiller. So wurde die Ruhe im Schloss ergänzt durch anregende Gespräche mit dem Dramatiker, Naturwissenschaftlern, den Romantikern und Abendgesellschaften im Frommannschen Haus. Goethe war um die 50 Jahre, als eine junge Schriftstellergeneration begann, in eine die gesamte deutsche Literatur befruchtende literarische Auseinandersetzung mit ihm einzutreten. Auch für die Frühromantiker war Goethe Dichterfürst und unangefochtene Autorität. Die Verehrung gipfelte bei Novalis in der Bemerkung, Goethe sei „der wahre Statthalter des poetischen Geistes auf Erden“. Aber auch Goethe zeigte Sympathien für die Vertreter der neuen Schule und sah in ihnen ein „Wespennest“ gegen die Mittelmäßigkeit.
So informiert die Ausstellung über die schwierige Annäherung von Goethe und Schiller 1794 in Jena, den Xenienkrieg als Arbeitsgemeinschaft der „Klassiker“ im Streit mit dem Zeitgeist, die Hintergründe des Zerwürfnisses der Schlegels mit Schiller und Goethes Vermittlungsversuche, warum und wie Goethe die Schlegels fördert, Goethes Kritik der Romantiker im Briefwechsel mit Schiller und Schlegels späte Spottverse darauf.
Das Buch zur Ausstellung:
Jens-Fietje Dwars: Mit Lichtbehagen. Der Jenaer Goethe. Mit Fotografien von Karoline Krause.